Das verschollene Album von Mia Diekow

Die gebürtige Hamburger Sängerin, Songwriterin und Produzentin Mia Diekow hatte ihr drittes Album "Ich habe mich getroffen" bereits im Winter 2019 fertig mischen lassen. Es sollte im Sommer 2020 erscheinen, doch dann kam die Pandemie.

Live Musik fand Monate lang, wenn überhaupt, nur als Livestream statt, doch trotzdem oder gerade deshalb entstand viel neue Musik. Viele Musiker hatten auf einmal Zeit und nutzten diese Zwangspause vom Live-Spielen, um neue Songs zu schreiben, sie im Home-Studio aufzunehmen und dann raus zu bringen.
Doch es gibt auch die andere Seite, die Alben, die nie veröffentlicht wurden, so wie bei Mia Diekow.

Im März 2020 erkrankte Mia Diekow an Covid-19, doch im Gegensatz zu den Meisten, ging es ihr nicht nach ein paar Tagen oder Wochen wieder gut. Der Virus löste bei ihr Long Covid, beziehungsweise ME/CFS und POTS aus. Beides sind chronische Erkrankungen, die den Betroffenen die Lebensenergie rauben und von der Gesellschaft nicht gesehen werden, da die Betroffenen oft nicht mehr in der Lage sind, das Haus zu verlassen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Mal ist Mia Diekow in der Lage, sich etwas zu Essen zu kochen und für zwei bis drei Stunden im sitzen oder liegen und mit Pausen leichte Aktivitäten zu absolvieren, wie z.B. Emails schreiben oder telefonieren. An schlechten Tagen ist selbst das, was für andere so normal und einfach erscheint für sie viel zu anstrengend und sie kann nur liegen.

Ihre wenige Kraft nutzt sie für aktivistische Arbeit, um auf den Forschungsmissstand von ME/CFS aufmerksam zu machen. 

Sie sagt deutlich: "Ohne eine funktionierende Therapie, ohne wirksame Medikamente werde ich keine Musik mehr machen können."

Mit der Hilfe von Freunden und Freundinnen, sowie einem Crowdfunding hat es Mia Diekow nun dennoch geschafft, ihr Album "Ich habe mich getroffen" zu veröffentlichen.

Das Album ist zeitlos und die Bedeutung der Texte haben sich für sie eigentlich nicht verändert. Auch wenn man das bei der Single "Babyschritte" denken könnte.

"Babyschritte habe ich vor fast 10 Jahren nach einer Panikattacke geschrieben", sagt Diekow, diese sei letztlich das Warnsignal gewesen, das sie dazu brachte, in Therapie zu gehen. "Und die Werkzeuge, die ich da gelernt habe, helfen mir heute enorm, mit meiner lähmenden Erkrankung ME /CFS umzugehen." Einzig in "Peter Pan" gäbe es eine Zeile, die ich so heute nicht mehr schreiben würde: "Ich will ein Lagerfeuer machen, wo mir das gefällt." "Das geht doch nicht — wegen der Waldbrandgefahr", sagt Diekow.

"... Ich habe Angst mich zu verlieren
und dich und all die Anderen überzustrapazieren
ich brauche Zeit, Zeit mich auszuruhen
und statt 1000 erstmal 3-4 Schritte zu tun
Babyschritte..."

 

In den elf Songs geht es um den Wunsch dazu zu gehören ("Kinder der Traurigkeit"), ums verliebt sein in New York ("Leaving New York's Never Easy"), eine Trennung ("Was fällt dir ein mich zu verlieren") und darum, sich nicht von einem Partner unterdrücken zu lassen ("Mosaik").
Mia Diekow fragt sich warum "Anne Marie" sich für einen Mann verändert und ein Idealbild in ihn hinein interpretiert, obwohl er vergeben ist und mit ihr nur eine Affäre hat.

"... Denn das hast du nicht verdient Anne Marie
warum zum Teufel tust du dir das an
Ist das wirklich so ein toller Mann Anne Marie
der sich für Nichts und Niemanden entscheiden kann..."

Mia Diekow schrieb einen "Brief an den Vater", der nie für sie da war. Für dieses Lied, arrangierte die Komponistin und Mias Freundin Zeina Azouqah, die Musik, die das Deutsche Film Orchester Babelsberg im Rahmen mit dem Track 15 Female Composer Collective spielte.  

Auch den Jazz Klassiker "The Man I Love" von George & Ira Gershwin arrangierte Zeina Azouqah für das Deutsche Film Orchester Babelsberg und Mia Diekow schrieb dazu ihre deutsche Version "Der Mensch für mich".

Direkt nach der Trump-Wahl hatte Mia Diekow die feministische Lead-Single "OK" geschrieben, in der es darum geht, dass Frauen in all ihren Facetten gesehen werden wollen.

"... Solange wir Entscheidungen treffen können today
weiß ich wir sind OK
Oh ja wir sind OK
Wir brauchen Keinen der uns sagt „Baby sei einfach nur schön“
Dann fühl’n wir uns nicht gesehen
Ich frag mich bitte für wen

Versuch mich runterzuziehen
die Fakten umzudrehen, uh
Ich weiß genau wer ich bin
und ich weiß und ich weiß
was ich nicht will..."

 

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